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Sankt Onlein – regionaler Konservativsmus statt globaler Problemlösung?

Am 8.8.2012 schreibt die Grazer Gratis-Zeitung „Woche“ über das taufrische österreichische social network Sankt Onlein [1] : „Facebook war gestern, der echte Steirer meldet sich bei Sankt Onlein an.“ Und weiter: „Der österreichische Schmäh, die G’schichtldruckerei, ganz allgemein die Mentalität und Kultur sind wesentliche Zutaten, die den Erfolg der Plattform mitbestimmen.“

Das soziale Netzwerk setzt auf Regionalität, bedient aber eher Österreich-Klischees, als österreichische Wirklichkeit abzubilden. Wenn man etwa auf der Startseite von Anton empfangen wird, man sich – bundeslandspezifisch – unterschiedliche Bergmotive für sein Profil auswählen kann oder auf Schritt und Tritt von österreichischer Echtheit die Rede ist.

Dass das zum Teil Marketingstrategie ist, ist klar, sozial gesehen ist diese Marketingstrategie allerdings äußerst problematisch.

Sankt Onlein wirbt u. a. mit der der Verwendung des österreichischen Deutsch auf seiner Seite. Bloß, ein einheitliches Österreichisch gibt es ebenso wenig wie die/den typische/n ÖsterreicherIn und jeder Versuch, eine österreichische Sprachnorm festzusetzen, würde an Protesten von Ost bis West scheitern.

Aber: „Derzeit arbeitet die Plattform auch an der Umsetzung regionaler Dialekte. Die Nutzer helfen dabei, Sankt Onlein in das Vorarlbergerische und Steirische zu übersetzen. Sogar Pinzgauerisch ist geplant", so der Geschäftsführer Kandutsch gegenüber der „Presse“.  [2]

Na bitte. Allerdings halte ich selbst das für ein gewagtes Unternehmen: Durch das Dialektkontinuum, das wir in Österreich haben, wird es äußerst schwierig, da auf einen grünen Zweig zu kommen; schon innerhalb einzelner Bezirke wird man für seine jeweilige Kaff-Variante ein Kaff weiter im besten Fall nicht verstanden, im schlimmsten ausgelacht.

Die Sprache, die Sankt Onlein verwendet, ist jedenfalls nur im weitesten Sinne Österreichisch.

Sankt Onlein orientiert sich sprachlich an einer bestimmten Gruppe von ÖsterreicherInnen, an, sagen wir grob, 15- bis 25jährigen, die im Internet und übers Handy schreiben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Sankt Onlein lockt seine Zielgruppe an, indem es dieser „Schreib-wie-du-sprichst“-Rechtschreibregel einen offiziellen Rahmen gibt und sie mit Coolness labelt.

Die Fassade bröckelt da, wo Sankt Onlein einerseits sagt, es hätte für Aktionen im sozialen Netzwerk österreichische Begriffe gefunden (die selbstverständlich viel cooler sind als die Facebook’schen) und gleichzeitig selbst Wörter basierend auf dem Englischen erfindet (etwa „offleinern“ und „onleinern“ – wo ich, außer in der Schreibweise, keinen großen Unterschied zum „liken“ auf FB sehe).

Die pseudo-österreichische Variante des Deutschen, die hier verwendet wird, ist somit nur ein weiteres Neusprech, das mit Originialtät ködert und sich einer Sprachverwendung der (im weitesten Sinne) Jugendkultur bedient.

Seltsam finde ich auch das Argument, auf Sankt Onlein würde man zu „echten Partys“ eingeladen, auf denen man „abfeiern“ könnte. („Abfeiern“, aber auch „Beziehungskiste“ [FB: „Beziehungsstatus“] sind im Übrigen auch keine spezifisch österreichischen Wörter –den Ursprung dieser beiden Wörter würde ich in Deutschland verorten; dem Land, von welchem v. a. junge Menschen in Österreich durch Medien sprachlich stark beeinflusst sind). Ich, z. B., wurde auf FB noch nie auf eine „unechte“ Party eingeladen.

Generell finden sich Wörter wie „unser“ und „echt“ sehr oft auf sanktonlein.at.

Wann ist einE ÖsterreicherIn einE ÖsterreicherIn? Wenig wahrscheinlich, aber erträumenswert ist, dass sich auf Sankt Onlein eine Durchmischung aller Verschiedenheit des Österreichisch-Seins ergibt, weil z. B. auch junge ÖsterreichInnen mit Migrationshintergrund in dem Netzwerk mitmischen wollen. In einem solchen Fall bleibt nur die Frage, ob sich dann auch dort rassistische Gruppierungen bilden, die Slogans à la (milde ausgedrückt) „Sankt Onlein soll nicht Facebook werden“ dreschen.

Fazit: Sankt Onlein setzt auf die Kleinkariertheit seiner Zielgruppe, um sein Produkt gut vermarkten zu können. Dass es dadurch aber nationale Klischees zementiert und dabei Teile der österreichischen Bevölkerung ausklammert, scheint mir äußerst problematisch. Konflikte, die dann entstehen, wenn Zielgruppenfremde auch zu „Sankt Onleinern“ werden, sind zu erwarten.

Hier soll nicht grundsätzlich die Idee kritisiert werden, ein soziales Netzwerk mit Österreich-Bezug zu gründen. Sankt Onlein ist in vielen Punkten auch zu loben – etwa weil es regionalen Betrieben eine Vermarktungsmöglichkeit für ihre Produkte bietet, oder in punkto Datenschutz viel Transparenz und Sicherheit verspricht.

Ich kritisiere allerdings, mit welchen Mitteln das Netzwerk den Österreich-Bezug herstellt.

Eine nicht zu vernachlässigende Tatsache, die Sankt Onlein thematisiert, ist das Heimatgefühl, das durch die Globalisierung zunehmend verlorengeht. („Anton bewegt sich in vielen social networks, nirgendwo fühlt er sich aber daheim.“)

Die Problematik des Heimatverlustes, oder der Angst davor, zeigt sich im Wählerzuwachs in nach rechts tendierenden Parteien – welche nicht die Globalisierung problematisieren, sondern EinwanderInnen (die ebenfalls Folgen dieser Globalisierung sind) zum Problem machen. Zunehmende Xenophobie in der Bevölkerung und ein gewisses Level an Rassismus, das in Österreich bereits salonfähig geworden ist, sind Begleiterscheinungen.

Diese Tendenz, die nur durch einen Strukturwandel in Wirtschaft und Politik umzulenken wäre, unterstützt das soziale Netzwerk Sankt Onlein aber.

Und was ist mit folgendem Gedanken: Nutzen nicht die Betreiber von Sankt Onlein die Angst vor Überfremdung und Orientierungslosigkeit im Land aus, um Profit zu erwirtschaften? Der Aspekt des Netzwerks als Plattform für Unternehmen und auch die Einkaufsmöglichkeiten für die NutzerInnen werden sehr stark hervorgehoben; Sankt Onlein lebt derzeit hauptsächlich von Werbeeinnahmen.

Einen letzten Gedanken ist die Schlagzeile der „Woche“ vom 15.8.2021 wert: „Facebook verdirbt Grazern Erotikfotos“.


[1] "Woche“, 8.8.2012, S. 10

[2] http://diepresse.com/home/techscience/internet/756629/Sankt-Onlein_AustroNetzwerk-auf-Expansionskurs


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Text u Bild: kateřina černá:
Ich bin eine große Träumerin, ewige Pläneschmiederin, Künstlerin, Freundin, Schwester, Sängerin, Meer- und Kaffee-, Liebhaberin, Schriftstellerin auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, wie spät es jetzt wohl in Ulaanbaatar ist.

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[Kolumne/katerina cerna/29.08.2012]





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